Cuxhaven

Dressur: Darauf achten die Richter bei Mensch und Pferd

Leichtfüßig und elegant sieht es aus, wie sich der Hengst durch das Viereck bewegt. Der nächste geht sehr kraftvoll. Aber welches Pferd absolviert die Lektionen besser? Grand-Prix-Richterin Ute von Platen weiß, worauf es bei der Dressur ankommt.

Dressurrichterin Ute von Platen (hinten, 2. von links) erklärte den NZ-Abonnenten, worauf die Richter bei Pferd und Reiter in einer Prüfung achten. Auch NZ-Redakteur Oliver Riemann (hinten links) freute sich über das Interesse der Leser.

Dressurrichterin Ute von Platen (hinten, 2. von links) erklärte den NZ-Abonnenten, worauf die Richter bei Pferd und Reiter in einer Prüfung achten. Auch NZ-Redakteur Oliver Riemann (hinten links) freute sich über das Interesse der Leser. Foto: Brocks

Bei einer NZplus Veranstaltung führte Ute von Platen 20 Abonnenten während der Elmloher Reitertage in die Geheimnisse des Dressursports ein. Ein wichtiger Schritt in der Ausbildung von Dressurpferden für zukünftige Championate ist der Nürnberger Burg-Pokal. „Hier reitet das ,Who is Who‘ des internationalen Sports“, sagt Ute von Platen. Die Pferde dagegen müssen sich erst noch einen Namen machen: „Hier werden sieben- bis neunjährige Pferde behutsam an die Aufgaben und Lektionen in den schweren Prüfungen herangeführt“.

Jahrelanges Training nötig

30 Paare zeigen im Viereck, was sie können. „Man ist über Jahre mit seinem Pferd verbunden, bevor man hier antritt“, erklärt die Richterin, Ausbilderin und einstige Grand-Prix-Reiterin. „Das wichtigste Kriterium ist aus meiner Sicht die Harmonie zwischen Reiter und Pferd“, sagt die Expertin. Bis beide diese bei den Turnieren geforderte Leistung erbringen können, ist oft jahrelanges Training nötig.

Los geht es für alle Teams mit dem Gruß: „Das Pferd sollte dabei geschlossen stehen, also mit den Beinen genau nebeneinander“, erklärt Ute von Platen. Beim „Starken Schritt“ dagegen achtet die Richterin auch darauf, ob die Schulter des Pferdes locker bleibt und die Bewegung schreitend ist. „Dieses Pferd könnte den Hals noch etwas länger machen und nach unten fallen lassen“, sagt die Expertin. Das sehen im direkten Vergleich mit dem nächsten Pferd auch die anwesenden Dressurlaien. Bei der anschließenden Pirouette dagegen begeistert der Hengst: Das Pferd springt dabei gewissermaßen mit den Vorderbeinen einen größeren Kreis um die Hinterbeine herum. „Es kommt darauf an, dass das Pferd möglichst ausbalanciert bleibt“, sagt von Platen. Neben der Zahl der Sprünge - drei bis vier bei der halben Pirouette und sechs bis acht bei der ganzen sollten es sein - kommt es auch auf die Genauigkeit bei der Ausführung des Pferdes an.

Möglichts unsichtbare Hilfen

Die Richter bewerten nicht nur die Lektionen und die Bewegungsabläufe des Pferdes, sondern auch den Sitz des Reiters, seine Hilfengebung und die Einwirkung auf das Pferd. „Die Kommunikation zwischen Tier und Reiter muss stimmen“, sagt von Platen. So wirke der Reiter nicht nur mit den Zügeln, sondern auch durch Druck und Lage der Schenkel auf das Pferd ein, ebenso durch das Kreuz- und Gewichtsverlagerungen. „Die Hilfen sollten fein und möglichst wenig sichtbar sein“, erklärt die Expertin.

Sie achte auch immer darauf, ob sich ein Pferd aufmerksam präsentiert. „Wir wollen Pferde sehen, die die Kraft haben, Dressurarbeit zu machen, aber auch Spaß daran haben.“

Ein „Powerpaket“ bekommt Bestnoten – auch von Ute von Platen: „Ein tolles Pferd“, schwärmt die Richterin. Dem nächsten Reiter dagegen würde sie persönlich raten, auf eine Wertung zu verzichten: Sein Hengst ist nervös, kaut so heftig, dass die Zähne hörbar knirschen, und zeigt sich auch bei den Lektionen unsicher. „Dieses Pferd ist im Viereck noch nicht ganz zu Hause“, merkt die Expertin. Der Hengst lässt sich zu schnell ablenken, wiehert vor allem in der Nähe der Tribüne aufgeregt: „Ein Pferd darf natürlich Wiehern.“ Das kostet aber Punkte.

„Oh weh. Jetzt müsste eigentlich das Glöckchen klingeln“, sagt Ute von Platen als eine Reiterin ihr Pferd an der falschen Stelle zurückrichtet. Wenn das sogenannte Abklingeln ertönt, ist das für Reiter kein gutes Zeichen. Denn es bedeutet: Hier läuft gerade etwas richtig schief – und es werden Punkte abgezogen.

Fünf Richter beurteilen Pferd und Reiter

Bei der Prüfung beurteilen fünf Richter das Geschehen im Viereck: „Das ist unglaublich anstrengend“, weiß von Platen aus eigener Erfahrung. Dass die Richter manchmal zu recht unterschiedlichen Einschätzungen kommen, hat einen einfachen Grund: Je nach Sitzplatz am Kopf oder an den langen Seiten des Vierecks sehen sie Stärken und Schwächen aus anderen Blickwinkeln. Alle Punkte werden zusammengerechnet und in ein Prozentergebnis übersetzt.

„Ich bin begeisterte Freizeitreiterin“, sagt Andrea Böhme, die bereits als Dreijährige den ersten Kontakt zu Pferden hatte. „Man hört momentan sehr viel über Tierquälerei im Reitsport und wollte mir hier in Elmlohe gerne ein eigenes Bild machen.“ Die NZplus-Abonnentin ist von den Lektionen, die die jungen Pferde und ihre Reiter gemeinsam meistern, sichtlich beeindruckt. Die Erläuterungen von Ute von Platen seien ihr eine große Hilfe gewesen: „Ich kannte das Bewertungsschema bisher nicht, wusste also nicht wirklich, worauf die Richter achten. Jetzt gucke ich selber auch genauer hin“, so Andrea Böhme.

„Ich reite selber nicht, bin aber eigentlich jedes Jahr bei den Elmloher Reitertagen“, sagt Ute von der Lieth aus Elmlohe. Normalerweise schauen sie und ihre Bekannten sich allerdings eher das Springen an: „Da sieht man auf Anhieb, wenn etwas schief läuft“ - nämlich wenn eine Stange herunterfällt oder das Pferd scheut. „Bei der Dressur fand ich es bisher sehr schwer zu verstehen, wann ein Ritt gut oder weniger gut ist.“ Das ist jetzt anders.

„Durch die Erklärungen habe ich vieles gesehen und erkannt, was mir früher überhaupt nicht bewusst war“, sagt Harald von Kampen. Ehefrau Andrea von Kampen ergänzt: „Früher sah bei der Dressur für mich alles gleich aus. Ich habe eigentlich nur zwischen schicken und weniger schicken Pferden unterschieden“, sagt die Elmloherin und schmunzelt. „Wir werden die Dressur ab jetzt sicherlich anders wahrnehmen.“

Gebannt beobachteten die NZ-Leser beobachten das Geschehen im Dressurviereck und konnten noch viel dazulernen.

Gebannt beobachteten die NZ-Leser das Geschehen im Dressurviereck und konnten noch viel dazulernen. Foto: Brocks

Ann-Kathrin Brocks

Projektredakteurin

Ann-Kathrin Brocks ist seit Oktober 2015 Projektredakteurin bei der Nordsee-Zeitung, wo sie auch volontiert hat. Zuvor hat sie an der Universität Siegen „Literary-, Cultural- & Media-Studies“ sowie „Visual Studies & Art History“ studiert.

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