Bremerhaven

Das kreative Chaos setzt sich im Piccolo Teatro durch

Zwei Welten, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Die eine wirkt nüchtern wie eine Amtsstube. Die andere ist richtig gemütlich. In der Komödie „Hallo, wie kann ich Ihnen helfen?“ von Friedo Stucke prallen sie im Piccolo Teatro aufeinander.

Die Leidenschaft des Suchtberaters

Die Leidenschaft des Suchtberaters (Friedo Lucke) ist die Musik. Doch sein Büro sieht nüchtern aus im Gegensatz zu dem Raum der Seidentuch-Liebhaberin (Britta Werksnis). Foto: Lothar Scheschonka

Die Bühne ist zweigeteilt. Auf der einen Seite agiert der Suchtberater, der sich selbst nicht so ganz wohlzufühlen scheint in dem kahlen Raum, der nur mit dem Allernötigsten ausgestattet ist, einem Schreibtisch, einem Stuhl und einem Telefon. Lediglich ein alter Stich an der Wand sorgt für eine persönliche Note, den der Mann mit dem Aktenkoffer sehr genau ausrichtet. Immer wenn es möglich ist, hört er klassische Musik und träumt sich weg in ein viel schöneres Dirigenten-Leben.

Auf der anderen Seite lebt eine Frau, die sich in einer Tücher-, Sessel- und Teppichlandschaft eingerichtet hat. Sie hat nur ein Problem, das der Mann hinter der unsichtbaren Wand allerdings nicht lösen kann.

Versuchsanordnung ist eine Herausforderung

Für die beiden Schauspieler Friedo Stucke und Britta Werksnis ist diese Versuchsanordnung eine Herausforderung. Denn sie können sich nur ganz, ganz selten direkt anspielen. Sie bleiben fast die gesamte Zeit allein auf dem für sie zugedachten Platz. Nur sehr selten finden ein paar Grenzübertritte statt, landet mal ein Tuch in dem nüchternen Büro.

Friedo Stucke hat es so gewollt. Er ist nicht nur die eine Hälfte des gut aufgelegten Schauspieler-Duos, er ist auch noch Autor und Regisseur dieser Komödie. Die Ausgangssituation ist eigentlich sehr alltäglich. Ein Mann sitzt in seinem Büro, hat nicht wirklich Lust auf seinen Job und hört den Klienten nicht richtig zu, hakt nur seine vorgefertigten Fragen ab. Er wirkt fast wie eine Figur von Loriot. Die Frauen, die ihm am Telefon - wo haben die Ausstatter nur diese alten Schnurtelefone mit Wählscheibe her? - ihre Probleme erzählen, sind dagegen sehr skurril. Da ist die Frau mit der schrillen Stimme, die sich unbedingt von dem Suchtberater bestätigen lassen will, dass es völlig in Ordnung sei, eine TV-Serie nach der nächsten zu glotzen, und die Kaufsüchtige in rosafarbenen Leggings und silberfarbener Perücke, die ein teures Paar Schuhe gesehen hat. Während der Berater salbungsvoll seine vorgestanzten Sätze spricht und gelangweilt die Telefonschnur knetet, werden seine Gesprächspartnerinnen immer aufgeregter.

Die Frau mit den Seidentüchern wirkt normal

Die Einzige, die völlig normal wirkt, ist die Frau mit den Seidentüchern, doch sie wollte eigentlich auch gar nicht mit der anonymen Suchtberatung sprechen, sondern mit der allerbesten Seidenberatung. Wie die beiden aneinander vorbeireden, ist einfach herrlich. Er spult seinen Fragenkatalog ab, sie will nur ihr drängendes Problem loswerden, von dem er wiederum nichts wissen soll. Das sorgt für Missverständnisse am laufenden Band.

Im Laufe dieses komischen Hin und Her drehen sich die Rollen um. Sie ist auf einmal diejenige, die Fragen stellt: „Haben Sie noch nie einen Hilfesuchenden kennengelernt? Haben Sie Freunde?“

Die pointierten Dialoge sind zwar meist komisch, doch die Situation, in der sie fallen, ist es nicht. Sowohl der Mann in seinem Büro als auch viele der Anrufer sind einsam. Sie sind nur mit dem Telefon verbunden mit der Welt da draußen. Der armselige Kontrollfreak in seinem Büro ist sichtlich überfordert mit seiner Arbeit, am liebsten würde er alle Klienten abwimmeln und sich nur noch der Musik hingeben. Er ist vom kreativen Chaos nebenan fasziniert. Die Frau spricht ihm Mut zu: „Gehen Sie raus, haben Sie Spaß!“ So wie die Zuschauer bei dieser gelungenen Uraufführung.

Suchtberater

Der Suchtberater (Friedo Stucke) liebt Musik, träumt sich dabei weg von dem ganz normalen Wahnsinn in seinem Büro. Foto: Lothar Scheschonka

Manchmal ist es wirklich nicht zum Aushalten

Manchmal ist es wirklich nicht zum Aushalten, mit was für Problemen, die Anrufer den armen Berater (Friedo Stucke) quälen. Foto: Lothar Scheschonka

Soll sie oder soll sie nicht

Soll sie oder soll sie nicht - die Schuhe kaufen? Mit dieser Frage nervt die Kaufsüchtige (Britta Werksnis) den Mann am anderen Ende der Telefonleitung. Foto: Lothar Scheschonka

Es ist alles so schön bunt hier.

Es ist alles so schön bunt hier. Die Näherin ( Britta Werksnis) umgibt sich mit Seidentüchern. Foto: Lothar Scheschonka

Seidentücher

Seidentücher sind nicht nur dazu da, getragen zu werden. Die Näherin (Britta Werksnis) arrangiert sie zu Kunstwerken. Foto: Lothar Scheschonka

Wagt der nüchterne Büromensch

Wagt der nüchterne Büromensch (Friedo Lucke) sich in das kreative Chaos vor? Foto: Lothar Scheschonka

Anne Stürzer
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