Es regnet. Fiese Böen teilen Backpfeifen aus. Eine junge Frau mit Kinderwagen und zwei Kindern steht auf den breiten Stufen vor dem Kirchenportal. Am Fuß der Stufen knipst ein junger Mann die Gruppe. Die Tür der Großen Kirche steht offen. Weil normalerweise immer einer auf Fotos fehlt, weil er oder sie halt knipst, frag‘ ich, ob sie ein Bild alle zusammen vor der Kirche möchten? „Ohhh yes, thanks“, sagt der große, blonde Mittdreißiger und strahlt im Niesel. Ich knipse und wir plaudern: Sie sind gerade aus Bremen hergekommen, um die Große Kirche zu sehen. (Ich grüble, ob der Dom in Bremen nicht mindestens ebenso fotogen wäre?) Eigentlich kommen sie aber frisch aus Amerika, „Minnesota“, sagt die junge Frau, Erin heißt sie. Und sie waren eben schon im Auswandererhaus. „Fascinating, great“, ruft Paul. Und dann überstürzt sich sein Erzählen: Seine Oma stammt aus Bremerhaven. „Sie ist 1946, nach dem Krieg, in die USA ausgewandert. Sie hat uns immer, immer wieder erzählt von dieser Kirche, in der ist sie getauft worden, und sie hat mit angesehen, als die Bomben darauf fielen und alles brannte. Und nun lebt Oma nicht mehr und wir wollen endlich ihre alte Heimat und diese Kirche kennenlernen, die ihr so viel bedeutet hat.“ Paul stockt. Dann: „Es ist sehr emotional. Oma fehlt uns. Und jetzt finde ich etwas von meinen Wurzeln hier. Wir wollen, dass auch unsere Kinder diese Wurzeln hier nicht vergessen.“ Und dann gehen sie rein, in die Seefahrerkirche. Und mir ist ganz warm innerlich, mitten in den fiesen kalten Böen.
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