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Hundeprofi Jochen Bendel: So hilft er den härtesten Hunden

Tipps vom Moderator und Hunde-Profi: Jochen Bendel aus Cuxhaven kommt in seinen Shows mit vielen Hunde-Schicksalen in Kontakt - eine emotionale Herausforderung für den Tierfreund. Als Hundetrainer hilft er auch den scheinbar hoffnungslosen Fällen.

Jochen Bendel sitzt im Schneidersitz vor einer blauen Tür und legt seine Hand auf einen Labrador, der neben ihm liegt. In der Arbeit mit Hunden hat Moderator Bendel seinen Traumberuf und seine Berufung gefunden.

Jochen Bendel sitzt im Schneidersitz vor einer blauen Tür und legt seine Hand auf einen Labrador, der neben ihm liegt. In der Arbeit mit Hunden hat Moderator Bendel seinen Traumberuf und seine Berufung gefunden. Foto: Gräfe und Unzer Verlag/Debra Bardowicks

Mops Gizmo und Labrador Khaleesi wandern bei sommerlichen Temperaturen im Garten von Schatten zu Schatten, am Nachmittag will Herrchen und Moderator Jochen Bendel (Ruck Zuck, Promi Big Brother) mit den beiden in Cuxhaven-Döse schwimmengehen. Seit zwei Jahren lebt Bendel mit seinem Mann Matthias - gerne - im Norden. Als Bendel Gizmo adoptiert hatte, wusste er nicht mehr als die Menschen, mit denen er jetzt arbeitet, erzählt er. Heute ist das anders. Vor vier Jahren nahm er sich eine Auszeit, stand bei Wind und Wetter auf einem Hundeplatz in München und machte eine Ausbildung zum Hundetrainer.
Treffen sich ein Sozialpädagoge und ein Moderator und werden Hundetrainer... Wir kam es dazu? Vor sieben Jahren habe ich zum ersten Mal die Sendung „Haustier sucht Herz“ moderiert. Mein Anliegen war immer, Hunde vorzustellen, die wenig Chance auf Vermittlung haben, weil sie vielleicht zu schüchtern oder impulsiv sind. Ich hatte immer Hundetrainer dabei, die mir fachlich erklärt haben, warum ein Hund zum Beispiel einen Maulkorb trägt. Aber wenn ich etwas über den Hund wissen will - warum der so tickt, wie er tickt - dann muss ich das irgendwie fühlen.

Verlangt das nicht besondere Anstrengungen? Die Arbeit war am Anfang emotional sehr anstrengend. Ich habe viel geweint und wollte am liebsten alle Hunde retten. Irgendwann hat mein Mann Matthias gesagt: ‚Du kannst sie alle mitbringen. Aber Jochen, wo genau ist noch mal dieser Bauernhof, wo wir mit all den Hunden hinziehen?‘ Da habe ich gemerkt: Ich kann nicht alle Hunde retten, aber ich kann mehr über Hunde lernen. Wenn ich sie besser verstehe, kann ich sie besser präsentieren und ihnen so ein gutes Zuhause finden. Die Ausbildung wollte ich ein Jahr lang in Vollzeit in München an einer renommierten Hundeschule machen und habe meinen Mann gefragt, ob er das nicht auch mitmachen will. Wollte er. 2018 habe ich meine Prüfung abgelegt und ich hätte nie gedacht, dass mich das so glücklich macht.

Bei „Letzte Chance auf vier Pfoten“ haben Sie Tierhalter dabei unterstützt, dass das Tier gar nicht erst im Tierheim landet. Was waren die Hauptprobleme? Wir haben ein Team bei den Menschen vor Ort zusammengestellt und die Teilnehmer, die vorher schon alles versucht haben, ein halbes Jahr intensiv begleitet. Wir arbeiten nicht mit negativen Reizen wie Leinenruck, Wasserpistole, Sprühhalsbänder, sondern über positive Verstärkung, Konsequenz und auch mit Themen wie Führungspersönlichkeit und Management. Wir hatten eine Hündin in der Sendung, die ängstlich und aggressiv auf Fremde auf dem Grundstück reagiert hat. Ein Hundetrainer hatte der Familie empfohlen, einfach mal die Gießkanne zu werfen, wenn sie ausrastet.

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Die Arbeit war am Anfang emotional sehr anstrengend. Ich habe viel geweint und wollte am liebsten alle Hunde retten.

Jochen Bendel

Hat das funktioniert? Im ersten Augenblick sieht es so aus, als würde es funktionieren. Was aber passiert, ist: Die Hündin hat sich erschreckt, dadurch wird das Symptom unterbrochen, aber nicht die Ursache der Ängstlichkeit behoben. Der Hund weiß nicht, dass der Schreck mit dem Verhalten zusammenhängt. Auf die Angst kommt nun noch der Schreck als negatives Erlebnis dazu. Hunde suchen sich dann irgendeine Ersatzhandlung, gehen an die Möbel. Stattdessen muss der Mensch lernen, zu führen und dem Hund Vertrauen vermitteln, ihn lenken, leiten, Grenzen zeigen und konsequent sein, aber auch positives Verhalten verstärken. Auf jedes Nein, auf das ein erwünschtes Verhalten folgt, sollte es Belohnung geben. Dann lernt der Hund, was erwünscht ist, und nicht nur: Nein, lass das.

Was können Sie Tierhaltern empfehlen, die nicht das Glück haben, dass ihr Team und Sie vor der Tür stehen? Ganz oft fehlt das Wissen. Junge Hunde kommen das erste Mal nach dem Zahnwechsel in die Pubertät und brauchen starke Leitplanken: Was ist erwünscht, was ist unerwünscht? Mit eineinhalb Jahren kommt die sogenannte „Fear Phase“ (Angst-Phase). Da werden noch mal die neuronalen Strukturen im Gehirn umgebaut.

Was bedeutet das? Plötzlich zeigen Hunde, die vorher in Situationen ganz sicher waren, zum Beispiel Angst vor einem Müllsack. Die Hunde brauchen Verständnis, Geduld und Konsequenz. Wichtiger als die meisten finde ich, Vertrauen zwischen Hund und Halter aufzubauen. Wir müssen ihm zeigen, dass er bei uns, bei seinem Partner Sicherheit findet. Wenn Menschen einen Hund aus dem Tierheim/Tierschutz aufnehmen, worauf müssen sie sich einstellen?

Hunde sind so starke Sozialpartner, weil sie in über 30.000 Jahren Evolution gelernt haben, sich an unser Verhalten anzupassen. Zieht ein Tierschutzhund ein, beobachtet er erst mal und zeigt nicht seinen wahren Charakter. Er analysiert die Familienstrukturen: Wer hat hier welche Funktion? Wer ist das schwächste Glied? An wen wende ich mich, wenn etwas ist? Wenn sie das verstanden haben, zeigen sie ihren wahren Charakter. So kann aus etwas ganz Ruhigem was wahnsinnig Lebhaftes werden. Ich muss als Mensch auf alles vorbereitet sein.

Eine Abkühlung holen sich Jochen Bendel und Labrador Khaleesi am liebsten direkt vor der Tür: in Cuxhaven-Döse.

Hundetraining ist nie vorbei: Deswegen übt Jochen Bendel mit Labrador-Hündin Khaleesi zwischendurch immer mal wieder Impulskontrolle, zum Beispiel bei den vielen Kaninchen am Deich. Foto: Gräfe und Unzer Verlag/Debra Bardowicks

Was sind die häufigsten Fehler? Viele Hunde aus dem Tierschutz bleiben bei ihren Besitzern nicht gut allein. Die Wahrheit ist, das könnten sie aber sehr gut. Sie kennen ja nichts anderes. Sie waren auf der Straße allein, in der Auffangstation allein, sie waren in der Pflegestelle allein beziehungsweise sind nur sehr lose Beziehungen zu den Pflegenden eingegangen, aber keine Verbindung. Im Transporter waren sie allein. Und dann kommen sie zu uns nach Hause. Und von dem Moment an werden sie von vorne bis hinten verhätschelt. Dabei muss ich von Anfang an ein cooler, souveräner, liebevoller Anführer sein und sie auch mal mental allein lassen.

Das heißt, nicht bei jedem Schnaufen reagieren, sie nie aus den Augen lassen, immer nachschauen, wo sie sind oder bei jeder Bewegung auf den Hund reagieren. Reagiere ich auf alles, bietet mir der Hund immer wieder Sachen an oder folgt mir auf Schritt und Tritt. Letzteres ist bei Welpen der normale Folgetrieb, aber bei älteren Hunden nicht normal. Soll er plötzlich physisch allein bleiben, ist er natürlich komplett überfordert.

In ihrer aktuellen Show „Promi sucht Hundeglück“ hat die Vermittlung an Reality-TV-Sternchen Danni Büchner nicht geklappt. Sie hat sich in der entscheidenden Phase nicht genug Zeit für den neuen Hund genommen. Passiert es häufiger, dass Hundehalter schon vor der Anschaffung nicht alles durchdenken? Die ist halt nicht mehr hingefahren und hat den Hund besucht. Dann hat sie den natürlich auch nicht von mir gekriegt. Wenn man sich wirklich für einen Hund entschieden hat, dann macht man das auch. Das ist ja nicht wie ein Pulli, den ich in der Boutique reserviere und sage, ich hol den nächste Woche ab und überleg es mir dann doch anders. Das hat mich schon schwer enttäuscht. Am Ende war es auch egal, weil der Hund in eine Familie gekommen ist, wo er mehr erwünscht war.

Ein weiteres trauriges Kapitel sind die Corona-Tiere. Landen sie aufgrund dieser Gedankenlosigkeit im Tierheim? Sich ein Haustier anzuschaffen kann ganz unterschiedliche Motivationen haben und während der Pandemie waren es vielleicht nicht ganz glückliche. Ein Tier darf nie Lückenbüßer, sondern sollte eine Bereicherung für das Leben sein. Der Single, dem im Lockdown mit Homeoffice die Decke auf den Kopf gefallen ist, die Familie mit Kindern, die sich mit Homeschooling und Homeoffice nur noch angezickt haben - Haustiere sind oft wie ein Therapieinstrument angeschafft worden. Kaum war das Homeoffice vorbei, war das Tier über und landete im Tierheim. Generell gilt: Menschen müssen vorher ehrlich mit sich sein und Pläne in der Tasche haben, wenn der Hund nicht ‚funktioniert‘ wie gewünscht.

Katja Gallas

Reporterin

Katja Gallas ist seit Januar 2022 als Reporterin im Cuxland unterwegs. Nach ihrem Studium der Skandinavistik und Europäischen Ethnologie in Freiburg und dem Master Kultur – Sprache – Medien in Flensburg, volontierte sie bei der NZ und arbeitete als Online-Redakteurin.

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